Das Weinviertel ist das nordöstliche Viertel Niederösterreichs (welches passenderweise in vier Viertel unterteilt ist). Es trug früher den Namen „Viertel unter dem Manhartsberg“. Hier gibt es einen ganz eigenen Menschenschlag, so eigen wie der Österreicher im Allgemeinen, dem Wein und der Gemütlichkeit zugetan ebenso wie dem Tratsch, der sinnlosen Zeitverschwendung (wenn es z. B. ums Prinzip geht) und dem Unsinn.
Das Weinviertel hat einen altertümlich-urtümlichen Dialekt, der heute kaum mehr gesprochen wird. Nur mehr einige alte Leute, etwa in der Altersgruppe 70+, reden noch diesen Dialekt. Die anderen sind in ihrer Ausdrucksweise schon etwas „angewienert“, sprich man hat den klassischen Dialekt verlassen und sich der klassischen wienerisch-dialektikalen Lautung angenähert, wenngleich der geübte Hörer doch eindeutig hört, ob nun ein Niederösterreicher oder ein Wiener spricht (für jene Exemplare an Menschen, die sich noch keinen Modernitäten der Vollangleichung der eigenen Sprache an einen fremden Kulturraum verpflichtet haben, wie es bei vielen Jungen (das heißt in Österreich junge Menschen, nicht Buben/Knaben), insbesondere Kindern und Jugendlichen, der Fall ist. Eine solche Ablegung der eigenen Herkunft in der eigenen Lautung ist dann oft zu sprechen „wia a Weeana“, die pseudohochdeutsche Sprache des Wiener „zamm“-Dialekts der v. a. in den 80ern und 90ern bis 2010ern bei Jugendlichen noch beliebt war, und nunmehr immer mehr durch „bundesdeutsche“, also Piefchinesische Lautung (was zusätzlich auch noch dem Tatbestand des Volksverrats entspricht – im fühlenden österreichischen Herzen zumindest), ersetzt wird – mal mehr, mal weniger erfolgreich.
Das „Plus“ in der Überschrift bezieht sich darauf, daß hier nicht nur Wörter im Wörterbuch enthalten sind, sonders ebenso Phrasen und typische Sprüche bzw. Formulierungen dargelegt werden sollen.
Wodurch zeichnet sich dieser altertümliche ursprüngliche Weinviertler Dialekt, der sogenannte UI-Dialekt, aus?
Klassisch allgemein gebräuchlich war früher das typisch bairische „oa“ für hdt. „ei“ z. B. „hoazn“ für „heizen“, „Goas“ für „Ziege/Geis“. Der Neoweinviertler Dialekt hingegen sagt hier heute wienerisch angehaucht „hazn“ (wobei der Wiener wohl „haazn“ sagen dürfte), wo also das klassische „oa“ durch ein „a“ ersetzt wird. Der geübte Hörer hört diesen Unterschied in der Aussprache heraus, weshalb er auch erkennen kann, daß er keinen Wiener, sondern einen Weinviertler vor sich hat. (Den nicht Geübten kann man sowieso für nichts gebrauchen… aber lassen wir das!)
Klassisch wird im Weinviertler Dialekt statt hochdeutsch „ie“ zumeist „oi“ verwendet. Z. B. „goißn“ statt hdt. „gießen“. Neoweinvierlerisch (also fast-wienerisch mit teilweiser altweinviertlerischer Lautungsklangerhaltung) würde man das als „giaßn“, wie auch in allen anderen Regionen Niederösterreichs, aussprechen. Also „schoißn“ statt „schiaßn“ bzw. „schießen“, „zoing“ statt „ziang“ bzw. „ziehen“, „gfroisn“ statt „gfreat“ (hier ea statt ia in vielen Regionen Österreichs) für „erfroren“ (z. B. Hände), …
Klassisch sagt der Weinviertler ein „ui“ statt gemeinbairisch „ua“. Z. B. „Bui“ statt „Bua“ (hdt. Bub, deutschländisch „Junge“), „Kui“ statt „Kua“ (hdt. „Kuh“), „Muida“ statt „Muada“ bzw. „Mutter“, etc. Daher kommt auch die Bezeichnung „UI-Dialekt“ bzw. „UI-Mundart“.
Des weiteren verfügt der Weinviertler Wortschatz, wie wohl jeder regionale Dialekt, über ganz eigen Wörter, teilweise auch welche, die man nur im Weinviertel versteht. Z. B. „Raazn“.
Dieses Wörterbuch bedient sich folgender Struktur:
Wort in hochdeutsch-angenäherter Schreibweise [Aussprache angenähert, fallweise ergänzt um den im Dialekt verwendeten Artikel in der entsprechenden Aussprache oder konkrete oder typische Formulierungsbeispiele]: Erklärung(sversuch)
A)
anschmettern [auschmettan]: anschwindeln
alsdann [oisdonn]: wörtlich „also, dann“ mit der Bedeutung, „dann packen wir es an/fangen wir an“
Angst [Aungst/Oungst, „an Oungst hom“]: ja, im Weinviertel heißt es scheinbar „der Angst“, und nicht die Angst. Sonst würde man nicht sagen „an Oungst hom“
E)
[entrisch]: unheimlich
[entn/ent/entahoi]: drüben, dort drüben; Gegensatz: herentn; „entahoi“ wörtlich wohl „drübenerhalben“, gemeint ist auf der anderen Seite (z. B. des Flusses, des Baches, der Grenze, …), drübenerseits
G)
Gehen wir es an! [Gemmas au!]: Frohe Schaffenskraft! Mit Tatkraft zur Umsetzung! Packen wir den Stier bei den Hörnern!
Gießeimer [Goißompa]: Gießkanne (AWV); von Jungen und dem „Mittelalter“ nicht mehr verwendet
(Gefraßt??) [Gfrast]: boshafter Mensch, rüpelhafter Mensch, moralisch degenerierter Mensch (im nicht sexuellen Sinne)
Geälter [Götta]: Alter (AWV); das „ö“ wird hierbei nicht wie im hdt. Wort „Götter“ (pl. von Gott) sondern wie in „Öl“ ausgesprochen.
H)
[herent/herentn/herentahoi]: herüben; nicht drüben sondern hier herüben; herentahoi würde man wörtlich wohl als „herüberhalb“ übersetzen (also quasi nicht auf der anderen „Hälfte“/Seite drüben)
M)
Mittelalter [Mittloita]: Personen, die nicht mehr wirklich jung sind, von Alten aber als jung bezeichnet werden, und auch noch nicht so richtig alt sind; also in etwa die Altersgruppe 30 – 49.
Ö)
Öl [Ö, des Öö]: das Öl
Eltern [Öttan, de]: die Eltern
R)
Ratze (Raazn, Bsp. „du host a Raazn!“): Schmutz, der sich nach dem Essen um den Mund befindet. (z. B. von Staubzucker, Brösel, Sauce, …); wird im nö. Mostviertel und im oö. Traunviertel als „Rammel [Rommö]“ bezeichnet.
V)
(ver-…/verwahrdackelt??) [vawoadaaglt]: unansehnlich, keiner geraden Linie folgend, sondern quasi „windschief“, unregelmäßig; ein Begriff, der schwer ins Hochdeutsche zu übersetzen ist, weil ich dazu im Hochdeutschen keine klare eindeutige Entsprechung kenne, weil der Dialekt hier etwas präziser beschreibt als ein entsprechendes hochdeutsches Wort (bzw. es gibt im Hochdeutschen keine so feine Untergliederung).
verhundst [vahundst]: etwas schlecht gemacht haben oder das schlecht gemacht ist; verschandelt; wenn etwas in so schlechter Qualität produziert/umgesetzt wurde, daß es für den eigentlichen Verwendungszweck nicht verwendbar ist.
Legende:
AWV = in altweinviertlerischem Dialekt
NWV = Neoweinviertler Dialekt (= wienerisch verunstaltetes oder überbautes Weinviertlerisch)